top of page

Blog

Hello Moment - Kein Leben ohne Sterben - Meine Arbeit im Kinder- & Jugendhospiz Stuttgart


Das Leben stellt uns immer wieder vor große Herausforderungen. Es verlangt von uns, uns den vielen Fragen des Lebens zu stellen und uns mit seiner Vielseitigkeit auseinanderzusetzen: Liebe, Schmerz, Leben und Sterben. Wirklich zu verstehen, dass das eigene Leben irgendwann zu Ende geht, ist keine einfache Erkenntnis. Den Gedanken an unsere Vergänglichkeit zuzulassen, macht schnell Angst.

Hand auf’s Herz: Ist dir schon mal der Gedanke gekommen – nach einem Film, durch einen Zeitungsbericht, durch einen berührenden Moment, beim Arzt, im Krankenhaus oder als du einen Bestattungswagen gesehen hast - wie es sein wird zu sterben oder wie dein eigener Tod ausschauen könnte?

Für mich persönlich ist der Tod inzwischen ein Weggefährte. Ich weiß nicht so genau wie er ausschaut, aber ich stelle ihn mir warm und liebevoll vor. Manchmal ist er bunt und dick und manchmal ist er schlank und modern, nie mit dunklem Mantel und Sense, wie man das sonst so kennt. Ich glaube auch, dass der Tod freundlich ist, er mich darauf aufmerksam macht, gut für mich zu sorgen und er mir ein Zeichen gibt, wenn ich es nicht tue. Er erinnert mich daran, mein Leben ganz bewusst zu leben, mit allem was dazu gehört: Gefühlen, Entscheidungen, Veränderungen und Gesundheit. Wenn ich mal sterbe, wird er mich liebevoll und warm empfangen, in etwa so, wie ich von der Hebamme nach meiner Geburt empfangen wurde. Dieses Bild lässt meine Ängste weniger werden und erleichtert mir den Umgang mit dem Thema.

Hast du dich schon mal mit deinem persönlichen Bild vom Tod auseinandergesetzt?

Der Gedanke an die eigene Endlichkeit wird gerne von uns weggeschoben. Die wenigsten unter uns wollen sich damit auseinandersetzen. Und doch geht es uns alle etwas an. Sterben ist ein Teil unser aller Leben. Es betrifft nicht nur alte oder kranke Menschen. Ich komme aus einer Familie, in der über das Thema Sterben kaum gesprochen wurde. Auf eine Beerdigung wurde ich in meiner Kindheit nicht mitgenommen. Fragen dazu wurden, wenn überhaupt, kurz und knapp beantwortet. Kindliche Ängste und Gedanken zum Thema fanden wenig Aufmerksamkeit. Ich möchte meine Familie dafür nicht kritisieren, sie wollten mich schützen, mich nicht mit der Endlichkeit „belasten“, mir keine Angst machen. Vielleicht wollten sie selbst nicht so genau darüber nachdenken und sie wussten wahrscheinlich auch nicht, wie man mit einem Kind über solche Themen spricht.

Aber genau das geben wir gerne über Generationen weiter und genau das verstärkt unsere Ängste. Letzten Endes können wir uns vor unserer Angst zu sterben nur ein wenig lösen, indem wir lernen, den Tod als etwas ganz Natürliches zu akzeptieren.

Wie komme ich dazu über ein solch schweres Thema zu schreiben?

Wenn ich ehrlich bin, habe ich lange mit mir gehadert, überhaupt über das Thema zu schreiben. Aus Angst, man könnte das falsch verstehen. Schlussendlich habe ich mich für’s Schreiben entschieden. Nicht zuletzt, weil ich mich mit dem Kinderhospiz Stuttgart abgestimmt habe und sie meine Idee, über das Kinderhospiz zu schreiben, sehr schön finden. Ausserdem denke ich, dass wir alle eine Verantwortung für unsere Gesellschaft in der wir leben tragen sollten.

Ich schreibe viel über das Annehmen und Loslassen von Gefühlen, Mustern, Gedanken und was einem das Leben sonst alles zu bieten hat! Ich bin Yogalehrerin und systemischer Coach geworden, um mit Menschen etwas zu teilen, dass im alltäglichen manchmal vernachlässigt oder vergessen wird und die Möglichkeiten doch so vielfältig sind, uns selbst etwas Gutes zu tun oder zu lernen. Neben diesen Tätigkeiten habe ich mich vor zwei Jahren zur freiwilligen Begleiterin im Kinder- und Jugendhospiz Stuttgart ausbilden lassen. Viele kennen dieses „Ehrenamt“ unter dem Begriff „Sterbebegleitung“, ich persönlich kann mich mit der Bezeichnung „freiwillige Begleiterin“ besser anfreunden. Das Kinder- und Jugendhospiz Stuttgart begleitet lebensverkürzt erkrankte Kinder und Jugendliche, deren Eltern und Angehörige. Aber auch Kinder, deren Eltern lebensverkürzt erkrankt sind oder plötzlich verstorben sind.

Warum entscheidet man sich für solch eine Aufgabe?

Ich tue es aus freien Stücken und aus ganzem Herzen, ohne dabei meine persönlichen Grenzen zu verlieren.

Die Beweggründe sind ganz individuell, genauso wie die Wahl des Engagements! Und egal um welches Engagement es sich schlussendlich handelt, sie haben alle eine Gemeinsamkeit: Wir übernehmen Verantwortung für unsere Gesellschaft, für das was um uns herum geschieht. Es gibt in den unterschiedlichsten Bereichen Handlungsbedarf und genügend Handlungsfähige unter uns, die in der Lage sind, in welcher Form auch immer, zu helfen.

Bei mir hatte es unterschiedliche Gründe und ich habe mich mit der Ausbildung zur freiwilligen Begleiterin relativ lange auseinandergesetzt, es wieder zur Seite gelegt und erst Monate später, eines nachts, davon geträumt. Es war ein guter Traum und da wusste ich, ich muss das machen. Ein Grund ist u. a., dass uns der Tod alle eines Tages ereilen wird. Warum machen wir uns dann nicht frühzeitig mit dem Thema bekannt? Weil wir noch jung sind und noch jede Menge Zeit haben? Sterben ist nicht nur was für alte oder kranke Menschen. Es gibt Kindersterblichkeit, Krankheiten für die es teilweise keinen Namen gibt, Kriege, Katastrophen, Unfälle. All das ist Gegenwärtig, begegnet uns jeden Tag in der Zeitung oder im Fernsehen, es wirft Fragen auf und trotzdem stellen wir uns diese Fragen nicht. Trotzdem schaffen wir es, das Thema aus unserem Leben „auszugrenzen“. So erging es mir auch in meiner Kindheit, als meine Oma starb oder die Mutter meiner damals besten Freundin plötzlich und allein gestorben ist. Meine Fragen blieben unbeantwortet, mit meinen Ängsten blieb ich fast allein – und meine Freundin damals auch – ihre Trauerarbeit begann erst viele Jahre nach dem Tod ihrer Mutter! Das hat mich nie losgelassen und ich möchte es anders machen.

Wie kann man sich eine freiwillige Begleitung vorstellen?

Die Begleitung eines Kindes im Hospiz beginnt nicht erst, wenn das Kind kurz vorm Sterben ist, sondern kann ab Diagnosestellung beginnen und erstreckt sich oft über mehrere Monate bis Jahre. Ein wesentlicher Unterschied zu der Arbeit im Erwachsenenhospiz. Die Kinderhospizarbeit endet auch nicht mit dem Tod des erkrankten Kindes. Kinderhospize begleiten die betroffenen Familien noch lange Zeit nach dem Tod des Kindes. Da das Kinder- und Jugendhospiz in Stuttgart noch keine eigenen Räumlichkeiten hat, erfolgen die Besuche ambulant. Ich besuche meine Begleitung bspw. wöchentlich in der Schule. Wir spielen, basteln, machen Yoga (in einem Rahmen der möglich ist) und reden sehr viel – ein bewegtes Kind, mit viel Humor und Fantasie, der sich jede Woche auf's Neue auf meinen Besuch freut und das auf eine Art & Weise zeigt, die mir persönlich ganz viel zurück gibt, mich mit Freude erfüllt und mich in meiner Entscheidung bestätigt.

Das Kinderhospiz Stuttgart hat viele schöne Projekte für Kinder und deren Angehörige ins Leben gerufen, um einen heilsamen Abschiedsprozess zu fördern, den Geschwisterkindern, Eltern und Angehörigen Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu entlasten oder ihnen Tage und Erlebnisse zu schenken, die das Leben so Lebenswert machen. Es werden aufwändig Ausflüge & Aktivitäten geplant, Sponsoren gesucht und gefunden und Themen erarbeitet, die den Angehörigen helfen können, abzuschalten und mal aus ihrem Alltag auszubrechen. Die Familien erhalten hier die Möglichkeit sich auszutauschen und sich nicht so allein zu fühlen. All das und mehr (Spendenaktionen, Öffentlichkeitsarbeit u. v. m.) wird aufwändig organisiert von den wenigen Hauptamtlichen und unterstützt von engagierten Freiwilligen, die mitten im Leben stehen, ihre eigenen täglichen Themen haben und meistens noch berufstätig sind.

Wir alle haben die Möglichkeit, uns in irgendeiner Form freiwillig zu engagieren, sei es in einem Ehrenamt, über Spenden oder ähnliches. Jeder hat hier andere Interessen und unterschiedliche Beweggründe. Für mein freiwilliges Engagement benötigte es Überwindung und eine knapp einjährige Ausbildung, die sehr intensiv war und in der es notwendig war, sich absolut ehrlich mit sich selbst auseinanderzusetzen. An seiner Haltung zu arbeiten und Akzeptanz zu üben, die für einen persönlich manchmal den Rahmen sprengen kann. Aber genau hier ist auch die Herausforderung: Nicht alles, was gut für dich ist, deiner Meinung nach besser ist oder vielleicht fehlt, muss für dein Gegenüber das Gleiche bedeuten. Zurückhaltung zu üben und Prioritäten zu setzen, die vielleicht nicht immer deinen eigenen Prioritäten entsprechen, Ansprüche herunterzuschrauben und dabei möglichst wertfrei zu bleiben. Menschen liebevoll und auf Augenhöhe zu empfangen, denen du im Alltag vielleicht nie begegnet wärst. Das klingt alles so einfach und haben wir schon 100 Mal gehört, ist natürlich für uns alle selbstverständlich…in der Konfrontation ist es aber genau das, worauf es ankommt - Empathie.

Ich habe in dieser Zeit sehr viel über Sterben, Tod und Trauer gelernt. Ein wunderbarer Nebeneffekt ist, dass ich mit tollen Menschen diese Ausbildung machen durfte und sie mir sehr wichtig geworden sind. Sie geben mir Halt und wir alle, unabhängig von Alter, Herkunft und Background, sind gleich, jeder kann SEIN und zwar so wie sie oder er ist. Ich habe sehr viel über mich selbst gelernt: Nämlich mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen, in dem Wissen, eines Tages selbst zu sterben. Ich habe gelernt, dass es sich lohnt im Hier und Jetzt zu leben, denn das Leben jetzt ist mir sicher.

Wenn du mehr über die wunderbare Arbeit des Hospiz Stuttgart erfahren möchtest, dich für ein Ehrenamt interessierst oder für den Bau des stationären Kinderhospizes spenden möchtest, dann schau doch mal auf deren Seite vorbei:

Namasté, deine Susi

P. S. Möchtest du wissen, wie ich Yoga mit meinem freiwilligen Ehrenamt verbinde? Oder mir von deinem Engagement erzählen? Dann schreibe mir, ich freue mich auf dich!

Hello Moment. Yoga.

bottom of page